Dienstag, 14. Februar 2012

Drei Pfeile gegen das Hakenkreuz - eine (nie gehaltene) Rede zum 12. Februar 1934

Heute vor 78 Jahren wurde in einer konzentrierten Aktion die Sozialdemokratie und mit ihr die Demokratie in Österreich ausgeschaltet. Das, was gemeinhin als „Selbstausschaltung des Parlaments“ bekannt ist, war tatsächlich nichts anderes, als eine vom damaligen Bundeskanzler Engelbert Dollfuß geplante Aktion, um autoritär regieren zu können. Begonnen hat alles schon viel früher, nämlich im Jänner 1927, als ein achtjähriger Bub und ein Kriegsinvalide von Mitgliedern der rechtsgerichteten Frontkämpferveinigung getötet wurde. Die Mörder wurden freigesprochen und gingen daher straffrei aus. Kurz darauf brannte der Justizpalast. In weiterer Folge formierte sich die faschistische Heimwehr, der christsoziale Dollfuß schaltete 1933 das Parlament aus. Kurz darauf wurde der Republikanische Schutzbund und die KPÖ für illegal erklärt, die Arbeiterzeitung verboten und man begann im großen Stil mit der Durchsuchung von Arbeiterheimen.

Richard Bernaschek, Kommandant der Linzer Schutzbündler, wehrte sich in den Morgenstunden des 12. Februars 1934 jedoch gegen die Durchsuchung des Linzer „Hotel Schiff“, das die Parteizentrale beherbergte. Der Funke verbreitete sich und wurde zum Flächenbrand: In Wien im Karl-Marx-Hof, in Steyer, St. Pölten, Kapfenberg, Bruck an der Mur und anderen Industriestädten setzte Dollfuß das Bundesheer ein, um Arbeiter zu erschießen und niederzubomben. Die Bilanz der Kämpfe auf Seiten des Schutzbundes: fast 200 Tote und mehr als 300 Verletze. In weiterer Folge wurden viele der restlichen SozialdemokratInnen festgenommen, einige von ihnen standesrechtlich zum Tode verurteilt.
Karl Münichreiter, ein niederösterreichischer Sozialdemokrat, wurde sogar schwerst verletzt auf der Bahre zum Galgen getragen und dort gehenkt. Auch Koloman Wallisch entging dem Strang nicht. Berthold Brecht hat ihm ein Gedicht geschrieben:
Im Februar vierunddreißig
Der Menschlichkeit zum Hohn
Hängten sie den Kämpfer
Gegen Hunger und Fron
Koloman Wallisch
Zimmermannsohn.
Die SPÖ, sämtliche Vorfeldorganisationen und auch der Gewerkschaftsbund wurde für illegal erklärt. Mit der Maiverfassung 1934 (die Dollfuß bereits ein Jahr zuvor ausarbeiten lies) errichtete Dollfuß den faschistischen Ständestaat. Sofort wurden sogenannte „Anhaltelager“ errichtet, eines davon direkt in meiner Heimatgemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl. Nicht lange darauf kam es zum Juliputsch und in weiterer Folge zum Anschluss an Hitelerdeutschland. Dollfuß hatte mit der Zerschlagung der Sozialdemokratie die perfekte Vorarbeit dafür geleistet. Von Beginn an erkannten SozialdemokratInnen die Gefahr und widersetzten sich der Gelichschaltung und kämpften gegen das nationalsozialistische Regime – viele bezahlten dafür mit dem Tod. Der wohl einmalige Widerstand gegen die NSDAP und all ihre Schergen bildet einen zentralen Teil des Selbstverständnisses der SPÖ.

Mahnmal Anhaltelager Wöllersdorf

Am 21. Februar 2011 beschloss der Nationalrat mit Stimmen der SPÖ & ÖVP ein Fremdenrechtspaket, das die ohnehin schon schlechte Lage von Zuwanderern noch weiter verschärft. Eine der bemerkenswertesten Maßnahmen dieses Paketes ist die sogenannte „Mitwirkungspflicht“, die im Wesentlichen nichts anderes bedeutet als eine siebentägige Kasernierung von AsylwerberInnen. Schubhaftregeln wurden so verändert, dass gelindere Mittel nicht mehr für 16- bis 18-jährige gelten. Zuvor hatte schon der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die Teilnahme Straches an rechtsextremen Wehrsportspielen rund um Gottfried Küssel als „Jugendtorheiten abgetan“. Das sind nur zwei von vielen Beispielen.

Viel ist also nicht mehr zu spüren vom Widerstand gegen ein menschenverachtendes System, gegen eine Ideologie, die zum millionenfachen Massenmord geführt hat. Angetrieben von einer immer mehr ins rechtsextreme abdriftenden FPÖ und dem aktiven Wegsehen der ÖVP versucht die SPÖ, Stimmen mit ekelhaften Mitteln zu gewinnen. So plakatiert Michael Häupel, Wiener Bürgermeister, vor kurzem einen Maßnahmenkatalog zur Integration in Wien, der eins zu eins aus dem Parteiprogramm der FPÖ entnommen werden könnte. Anstatt aktiv gegen rechts zu kämpfen, verschließt die SPÖ ihre Augen.
Und auch die Rechte rüstet auf und agiert immer extremer. Am 27. Jänner dieses Jahres wurde der ehemalige Bundesrat Albrecht Konecny von Rechtsextremen brutal niedergeschlagen, als er auf dem Heimweg von einer antifaschistischen Demonstration gegen den WKR-Ball war. Die FPÖ spielte diesen Vorfall herunter und stilisierte sich als „neue Juden, die eine Reichskristallnacht erleben“. Der Aufschrei von Seiten der Sozialdemokratie? Der war zwar da, aber auch schnell wieder verhallt.
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich konstant nach rechts bewegt. Laut einer Studie wünscht sich jedeR fünfte einen starken Mann an der Spitze Österreichs. Asylwerbende, Zuwanderer, Roma und Sinti sind einem Klima ausgesetzt, das man als hasserfüllt bezeichnen könnte. Europaweit rüsten Rechtsextreme auf, und begehen Wahnsinnstaten wie das Massaker von Utoya. Die Sozialdemokratie, immer ein Hüter der Freiheit und der Demokratie, die ist des Kampfes müde geworden. Man ruht sich aus auf der glorreichen Geschichte der Vergangenheit und ist mitverantwortlich an dem gesellschaftlichem Klima, das solche Taten begünstigt.
Eines der alten Symbole der Sozialdemokratie sind die drei Pfeile. Ein einfaches Symbol, schnell zu zeichnen: drei Pfeile, umrahmt von einem Kreis. Sie stehen gegen Faschismus, gegen Klerikalismus und gegen Kapitalismus. Die drei Pfeile wurden auch zum Zeichen der Revolutionären Sozialisten und selbst in den Zeiten brutalster Verfolgung zierten sie immer wieder illegale Flugschriften oder waren auf Hausmauern zu finden. In Deutschland etablierte sich das Symbol als Logo der Eisernen Front, dem deutschen Gegenstück zu den RS, da es sich perfekt eignete, um Hakenkreuze zu übermalen.

"Tradition ist nicht das Anbeten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme", hat Thomas Morus einmal gesagt. Das bedeutet aber, dass sich die SPÖ nicht auf ihrer unzweifelhaften ruhmreichen Geschichte des Widerstandes ausruhen darf. Antifaschismus bedeutet eben mehr als nur, Geschichtsbewusstsein, es erfordert tagtägliches Handeln. Die drei Pfeile hingegen, und der Gedanke der sie umgibt, das ist heute allerdings fast in Vergessenheit geraten.
Die SPÖ ist antifaschistisch, oder sie ist nicht. Heute ist sie nicht. Was aber morgen ist, das entscheidet jeder der sich der Sozialdemokratie verbunden fühlt. Jeder einzelne ist aufgerufen, gegen Rechtsextremismus aufzutreten, gegen Ausländerhatz, gegen Rassismus und Nationalismus. Jedem einzelnen sei gesagt: Niemals vergessen! Heute gedenken wir all jenen, die in den Februartagen 1934 ihr Leben gaben für Freiheit und Demokratie. Damals wie heute sind unsere Demokratie, unsere Grundwerte, unsere Freiheit bedroht von einem Pack, das aus der Geschichte nichts gelernt hat. Nur heute schaun wir weitestgehend tatenlos zu.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen